Faktencheck – Aussagen zum Fischotter unter die Lupe genommen
Wie lebt der Fischotter wirklich? Die Art ist sehr gut erforscht, aber das Wissen darüber noch nicht weit verbreitet. Es werden immer wieder Behauptungen aufgestellt, die sich bei näherer Betrachtung etwas anders darstellen. Wir machen einen Faktencheck für die häufigsten Aussagen.
Der Fischotter wurde in Thüringen ausgesetzt
Es werden immer mehr Fischotter.
Der Fischotter frisst vor allem große Fische.
Der Fischotter gefährdet seltene Fischarten.
Der Fischotter wurde in Thüringen ausgesetzt.
Nein, das stimmt nicht. Durch das Otter-Netz Thüringen konnte über die letzten beiden Jahrzehnte die natürliche Ausbreitung sehr gut dokumentiert werden. Die Einwanderung erfolgte vor allem von Osten über Sachen und Süden über Bayern. Das Vorkommen in Nordthüringen steht in Verbindung mit Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. Eine genetische Untersuchung der Losungen von Ottern aus verschiedenen Landesteilen Thüringens zeigt die Verwandtschaft zu sächsischen, bayerischen und niedersächsischen Otterpopulationen. In Thüringen treffen daher genetisch verschiedene Populationen aufeinander, was sehr wichtig für den genetischen Austausch ist.
Immer wieder wird spekuliert, dass es sich um illegale und geheime Aussetzungen von „Naturschützern“ handeln würde. Dem ist entgegenzuhalten, dass es alles andere als einfach ist, Otter in Fallen zu fangen und über große Strecken zu transportieren. Der Aufwand wäre extrem hoch und es ist weitgehend sinnlos, eine Art irgendwo auszusetzen, wo sie bereits vorkommt. Für diese Behauptung gibt es keinen Beweis (z. B. Videos etc.).
Es werden immer mehr Fischotter.
Wenn der Fischotter einen Lebensraum neu besiedelt, dann erhöht sich tatsächlich über einen bestimmten Zeitraum die Zahl der Tiere. Irgendwann sind jedoch alle verfügbaren Reviere besetzt. Im Normalfall leben innerhalb eines Männchen-Streifgebietes 2-3 Weibchen, deren Lebensräume sich teils überlappen können. Hier findet die Fortpflanzung statt. Nach ca. einem Jahr werden die Jungen entlassen. Manche streifen noch eine Zeitlang in ihrem Geburtsgebiet herum, wandern dann aber in andere Gebiete ab oder besetzten frei gewordene Reviere. Die Größe der Reviere ist in starkem Maße von der Nahrungsverfügbarkeit abhängig. Je weniger Fisch, desto größer die Reviere. Sind alle verfügbaren Reviere besetzt, dann wird die Zahl der Fischotter in einem Gebiet nicht weiter steigen. Die Zahl schwankt dann nur noch um einen bestimmten Mittelwert. Ändert sich die Nahrungsverfügbarkeit, dann wird sich auch die mittlere Zahl an Fischottern ändern. Werden z. B. viele Teiche in einem Gebiet eingezäunt und somit die Zugänglichkeit von Nahrung eingeschränkt, dann verringert sich langfristig die Zahl der Otter in einem Gebiet .
Der Fischotter frisst vor allem große Fische.
Nein, der Hauptteil der Nahrung besteht aus Fischen, die kleiner als 15 cm sind. Diese Aussage wird einer großen Vielzahl von Untersuchungen an Fischotternahrung europaweit bestätigt. Nahrungsuntersuchungen werden überwiegend durch die Analyse der Fischknochen in den Losungen durchgeführt. Hier wird meist behauptet, dass große Fische darin nicht vorkommen, weil nur die Weichteile gefressen werden. Untersuchungen an großen, vom Otter angefressenen Fischkadavern und Wildkameraaufnahmen zeigen jedoch, dass auch beim Fressen großer Fische Knochenanteile aufgenommen werden (so wird selbst bei größeren Karpfen häufig damit begonnen am Kopf zu fressen). Diese großen Knochen können evtl. nicht immer sicher einer Art zugeordnet werden, jedoch wird das Vorkommen großer Knochenreste notiert.
Das Fressen eher kleinerer Fische ist auch aus energetischer Sicht für den Otter sinnvoll. Der Fischotter hat einen hohen Energiebedarf (z. B. durch den Aufenthalt im kalten Wasser) und das Fangen von Beute darf nicht zu viel Energie kosten. Kleine Fische lassen sich meist wesentlich schneller erbeuten und auffressen als große. Für große und starke Fische ist neben entsprechender Erfahrung auch viel Kraft und Energie beim Fangen nötig. Der Fang großer Fische ist daher möglich, aber nicht die Regel.
Der Fischotter gefährdet seltene Fischarten.
Hier steht an erster Stelle die Frage, warum Fischarten selten sind. Fast ausschließlich ist das durch Eingriffe des Menschen versursacht: Gewässerverschmutzung, Gewässerverbauung, Verlust der Auen, Schadstoffeinleitungen etc. haben viele Arten an den Rand des Aussterbens gebracht.
Kommt eine Art nun sehr selten vor, dann wird sie auch vom Fischotter nur selten gefangen, da es sich für ihn nicht lohnt, gezielt auf die Suche nach einer besonderen Fischart zu gehen. Kommt die Art dann evtl. wieder häufiger vor, dann wird sie ggfs. auch wieder häufiger erbeutet. Bisher gibt es keinen einzigen dokumentierten Fall, dass ein fischfressender Prädator eine Fischart komplett ausgerottet hat. Das hat bisher nur der Mensch geschafft.
Der Fischotter kommt nur in sauberen und naturnahen Gewässern vor und ist ein Anzeiger für intakte Gewässer.
Nein, der Fischotter kann überall dort leben, wo er genügend zu fressen findet. Dazu zählen Bereiche in Städten ebenso, wie naturferne, ausgebaute Flüsse oder Dorfteiche. Auch unzureichende Wasserqualität ist generell kein Ausschlussgrund für das Vorkommen des Fischotters. So leben in nährstoffbelasteten Gewässern oft jede Menge Fische, diese Gewässer werden daher gern vom Fischotter besucht. Wichtig sind für den Otter neben der Nahrung auch ausreichend Ruheplätze, aber auch diese müssen nicht in naturnahen Bereichen liegen. Auch Drainagerohre oder Mauerlücken können als Tagesverstecke genutzt werden. Lediglich die Wurfbaue werden in weitgehend ungestörten Bereichen angelegt. Das Vorkommen des Fischotters zeigt daher eher an, dass die Fischfauna eine ausreichende Nahrungsgrundlage bietet und die Schadstoffbelastung nicht zu groß ist.